Selbstbestimmt wohnen im Alter

Ein Schwerpunkt-Thema vertieft.

Unser Positionspapier

Viele Menschen wünschen sich, dass sie selbstbestimmt in ihrer vertrauten Wohnung bis zu ihrem Tod verbleiben dürfen. Auch dann, wenn sie im höheren Alter auf ambulante Pflege und Betreuung im Alltag angewiesen sind. Die Todesfallstatistik weist darauf hin, dass die wenigsten Menschen auch zu Hause sterben (34% im Spital, 47% in einem Pflegeheim und nur 19% an einem anderen Ort). 80% der über 80-Jährigen leben selbstständig in einem Ein- oder Zweipersonenhaushalt und bewohnen oft noch die angestammte Familienwohnung. Nur durchschnittlich jede fünfte Seniorin über 80 Jahre lebt für eine eher kurze Zeit vor ihrem Tod in einem Pflegeheim. Der Anteil der Senioren liegt deutlich tiefer, da die meist jüngere Lebenspartnerin oft noch bereit ist, die Pflege und Betreuung ihres Partners Daheim uneigennützig zu leisten. Wer rechtzeitig in eine kleinere, zentral gelegene und altersgerechte Wohnung oder in eine Wohngemeinschaft umzieht, kann länger selbstständig Daheim leben.

 Juni 2023

Im Kanton Aargau sind die Gemeinden für Information, Beratung und Vermittlung sowie für Dienstleistungen in der ambulanten und stationären Langzeitpflege zuständig. Folgende Trends stellen die Gemeinden vor enorme Herausforderungen: Die Population der älteren Bevölkerung steigt in den nächsten Jahren massiv an, es mangelt an qualifiziertem Personal in Pflege und Betreuung sowie an Nachwuchs in den örtlichen Hausarztpraxen, bisher tragfähige Familienstrukturen verändern sich und die Anzahl der Einpersonenhaushalte steigt seit Jahren überdurchschnittlich an. Diese Trends können nicht allein durch den Ausbau der Leistungen der Spitex und neuer Plätze in Pflegeheimen aufgefangen werden. Der ASV setzt sich dafür ein, dass die Gemeinden zusammen mit den Seniorinnen und Senioren, die Nachbarschaftshilfen im Quartier ausbauen, damit Menschen in guter Lebensqualität alt werden können, integriert bleiben und weiterhin am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen können. Darüber hinaus braucht es deutlich mehr kleinere Wohneinheiten, die behinderten- und altersgerecht ausgebaut sind.

Leider fehlt bis anhin eine Definition für Alterswohnungen. Hingegen müssen öffentliche und private Bauten mit mehr als 5 Wohneinheiten behindertengerecht (SIA-Norm 500) erstellt werden. Kleinere private und ältere Bauten erfüllen diese Norm meist nicht. Sie müssen für beeinträchtigte ältere Personen umgebaut und umgerüstet werden. Mit dem Ratgeber „Wohnen im Alter»[1] der Pro Senectute können die Erfordernisse für eine altersgerechte Wohnung bestimmt werden. Die Kosten für Verbesserungen gehen zu Lasten der Eigentümer bzw. Mieter. Wer über eine Wohnung mit Treppen ohne Lift, zu engen Korridoren und Türbreiten, zu kleinen Verkehrsflächen in Bad und Küche für einen Rollstuhl oder Rollator verfügt, wird evtl. schon bevor einschneidende gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten, einen Umbau oder Umzug erwägen müssen.

[1]  https://www.prosenectute.ch/de/ratgeber/wohnen/altersgerechtes-wohnen.html

Wer seit Jahren oder Jahrzehnten dieselbe Wohnung sein Daheim nennt, dem dürfte ein rechtzeitiger Umzug zu planen verständlicherweise schwerfallen. Der ausgetrocknete Wohnungsmarkt, hohe Mietpreise, das Drumherum, das die Suche einer neuen Bleibe und der Umzug mit sich bringen, führen oft dazu, das Vorhaben vor sich herzuschieben, bis unausweichlich und plötzlich eine andere Lösung  realisiert werden muss. Ein Umzug in eine betreute Wohnanlage mit ausgebauten Dienstleistungsangeboten in ist auf die Schnelle meist nicht realisierbar. Es kommt in der Folge zu einem vorzeitigen Heimeintritt, der vielfach vermeidbar gewesen wäre. Ein vorausschauender Wechsel von der zu grossen Familienwohnung weit weg von Einkaufsmöglichkeiten und ÖV-Haltestellen in eine kleinere altersgerechte Wohnung im Dorfzentrum, kann einen längeren Verbleib im neuen Zuhause und eine bessere soziale Teilhabe ermöglichen.

  • Der ASV unterstützt Rahmenbedingungen, die den altersgerechten Wohnungsbau[1] besser fördern. Seniorinnen und Senioren sollen ihre Wohnsituation selbstbestimmt und nach ihren Bedürfnissen und Interessen wählen können. Sie sollen erst dann einen Pflegeheimeintritt erwägen müssen, wenn alle freiwilligen und ambulanten Dienstleistungen ausgeschöpft sind.
  • Sie tragen Mitverantwortung und entscheiden sich vorausschauend und rechtzeitig für eine passende individuelle oder kollektive Wohnform.
  • Trotz allen Wünschen und Planungen kann zu gegebener Zeit ein Umzug von der eigenen Wohnung in eine betreute Wohnung, in ein Pflegeheim, ins Spital oder in ein Hospiz die geeignete Lösung sein.
  • Aus volkswirtschaftlicher und städtebaulicher Sicht sowie aus Umweltgründen kann es Sinn machen, die eigene Wohnfläche rechtzeitig zu verkleinern wie z. B. das eigene Haus in zwei kleinere Wohnungen umzugestalten.

[1] Handbuch Wohnen im Alter Kanton Aargau

  • Die Gemeinden nehmen ihre gesetzliche Informations-, Beratungs- und Vermittlungspflicht für ältere Menschen und ihre Angehörigen professionell wahr und bauen diese wenn nötig aus.
  • Ältere Menschen kennen die Voraussetzungen und Möglichkeiten, die möglichst lange ihre Lebensqualität und Selbständigkeit zu Hause gewährleisten.
  • Kanton und Gemeinden bieten Hand für zukunftsweisende Projekte und unterstützen die qualitative Vernetzung aller Akteure (siehe Bericht «Leitsätze zur Alterspolitik im Kanton Aargau»[1]).
  • Altersgerechte Wohnungen sind heute Mangelware. Der ASV fordert eine eingreifende Steuerung bspw. via Bau- und Nutzungsplanung (Landabgabe im Baurecht), Tauschbörsen für individuelles Wohnen sowie Unterstützung und Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Dadurch fallen für die Gemeinden tiefere Restkosten für Pflegeplätze an.
  • Weniger finanzstarke ältere Menschen ohne EL-Berechtigung erhalten Betreuungsleistungen mitfinanziert, damit altersgerechte und betreute Wohnangebote trotzdem genutzt werden können.
  • Weitere Forderungen in unseren Positionspapieren zu Einsamkeit, Betreuung usw. unter asv-ag.gh/politik/.

[1] Leitsätze Alterspolitik Kanton Aargau

 

Tipp

Was gilt es bei einem Wohnungswechsel zu bedenken?
Ein Überblick